Problemverhalten – Zwicken

Im Zusammenleben mit einem Welpen kommt es neben ganz viel Spass und Freude immer mal wieder zu problematischem Verhalten. Wobei das vom Hund gezeigte verhalten unter Umständen durchaus hundetypisch und nicht außergewöhnlich ist. Es wird nur subjektiv vom Menschen als unerwünscht empfunden.

Schauen wir uns mal eines der typischen Beispiele aus der Welpen und Junghundezeit an: Der Hund beißt in die Hände, in die Kleidung, in die Kinder. Nicht schön, is aber so.

Für die Familie, insbesondere die Kinder ganz und gar nicht lustig, für den Welpen schon.

Der klassische Ansatz

Das darf der nicht

Das musst du unterbinden

Da musst du mal laut quietschen

Da musst du ihn mal wegsperren, Stille Treppe bis er aufhört

Du musst ihm zeigen wer der Chef ist, der testet jetzt seine Grenzen aus

Daraus ergeben sich verschiedene Interventionsformen:

Erstes Szenario: Der Welpe bekommt die Schnauze zugehalten, vielleicht beeindruckt ihn das kurz, dann probiert er es nochmal aus, Schnauze wird wieder zugehalten … hmmm doof, da muss ich mich wehren, also packt der Mensch etwas fester zu. Ergebnis ist, da entwickelt sich eine Spirale von Butz und Widerbutz, die unter Umständen zu keinem guten Ende führt.

Zweites Szenario: Schubs den Hund weg und sage „nein“.
Der Hund findet das wegschubsen lustig und sagt sich hey super, endlich spielt mein Mensch mit. Der macht das eben mit den Händen aber auch gut, da bin ich dabei. schubsen, angreifen, wieder schubsen, heftiger angreifen …. Anscheinend heißt das Spiel bei den Menschen „nein“.

Drittes Szenario: Kinder laufen, spielen und quietschen.  Wow, sofort mein Programm hochfahren „schnell bewegende Dinge (inkl. Kinder) einfangen“. In Ermangelung von Händen nehme ich halt meine Zähne dazu. Ergebnis: Kinder quietschen noch mehr, laufen noch schneller, machen noch andere lustige Dinge, wie Weinen, Schubsen, Arme hochreißen. Bemühungen des Welpen werden noch massiver… was für ein Spass.

Viertes Szenario: Außer dem Welpen findet das niemand mehr lustig und der Welpe fragt sich, warum die Menschen so wahnsinnig unentspannt und unsouverän sind?

Jetzt müssen massivere Maßnahmen her: der Welpe wird weggesperrt. Jetzt muss man aber wissen, dass für einen Welpen soziale Isolation nicht nur mit Unwohlsein, sondern unter Umständen mit Todesangst einhergeht. Das Selbe löst übrigens auch Packen und Schütteln aus… nein, eine Welpenmutter packt die Welpen nicht am Nackenfell und schüttelt sie, das ist einfach falsch!

Mittlerweile versteht der Welpe die Welt nicht mehr, weil er bis dato null Ahnung hat, was da jetzt schief gelaufen ist. Das einzige was sich für ihn zu diesem Zeitpunkt geändert hat, ist, dass er seine Menschen für hoch unsozial und unberechenbar hält und sich schon mal mental auf den nächsten Angriff vorbereitet …

Das führt zukünftig vielleicht dazu, dass er weniger Spielversuche mit seinem Menschen initiiert, das würde der Mensch für sich als Erfolg verbuchen. Würde sich aber vielleicht auch wundern, dass der Welpe auf Spielangebote seinerseits nicht mehr oder nur sehr verhalten eingeht.

In einem weiteren, sehr ungünstigen Szenario, wird der Welpe wieder zwicken und beißen, evtl. aber schon massiver und viel aggressiver und beim nächsten Versuch des Menschen ihn zu packen oder den Schnauzgriff anzuwenden, kommt dann von Seiten des Welpen ein unter Umständen ein Knurren oder ein Schnappen. Alle sind erschrocken, machen große Augen … unser Hund ist bösartig!
Herzlichen Glückwunsch, ihr habt es ihm perfekt beigebracht.

Der ganzheitliche Ansatz

Ich bin ein Freund davon Dinge ganzheitlich zu betrachten und auch mein Training so zu gestalten. Lasst uns mal das ganze Szenario zurückspulen und schauen wir mal wie es auch anders aussehen kann.

Beobachtet man Welpen in der Welpenstube, dann kann man schon relativ früh die ersten Interaktionen beobachten und spätestens ab dem Moment, wo die Welpen mobil werden, beginnen sie zu spielen. Das tun sie ganz viel mit den Pfötchen und dem Maul. Dort testen sie dann auch aus was geht und wenn die Zähnchen da sind auch mit den Zähnen. Hauptsächlich wir da in den Kragen, die Öhrchen oder die Pfötchen der Wurfgeschwister gebissen. So lange bis einer weint… das heißt in diesem Fall, laut quietscht. Welpen können das hervorragend, man bekommt sofort den Eindruck, es wäre etwas Lebensbedrohliches passiert. Das führt dazu, dass der „Angreifer“ sofort sein Tun unterbricht und entweder geht es nach kurzer Spielunterbrechung, jetzt wieder sanfter, weiter oder der Agiator sucht sich ein anderes Opfer. Doch eins wird klar, bist du doof, dann spielen wir nicht mit dir. Rassebedingt ist da die Toleranz- und Schmerzgrenze unterschiedlich hoch, in einem Wurf Jack Russel Terrier, kann es da schon mal ganz schön zur Sache gehen.

Welpen tun sehr viel mit dem Maul, saugen, lutschen, knabbern, beißen, rumtragen, zerren … es ist für sie also völlig normal ständig ihr Maul und ihre Zähn einzusetzen. Wie Menschenkinder auch in einer bestimmten Phase, erfahren Welpen ganz viel über ihre Umwelt indem sie es mit dem Maul erforschen.

Treiben die Welpen es mit einem der erwachsenen Mitglieder des Rudels zu dolle kann man tatsächlich auch dort den sogenannten Schnauzgriff beobachten.
Der Welpe beginnt zu nerven, Mutti knurrt ein bisschen, hebt vielleicht auch mal die Lefzen, alles Drohsignale, die ein Welpe kennen lernen muss. Reagiert er darauf nicht, greift der erwachsene Hund sehr schnell einmal mit dem Fang über den Fang des Welpen, worauf der Welpe evtl. fiept und kurz ganz still liegen bleibt. Dieses kurze „Erstarren“ führt dazu, dass die Mutterhündin sofort ablässt und anschließend freundliches Verhalten, wie z.B. ablecken des Welpen zeigt. Sie signalisiert ihm, alles ist wieder gut, du hast dich richtig verhalten.

So entwickelt der Welpe, so er denn die Möglichkeit hat in einem souveränen Rudel groß zu werden, Schritt für Schritt die Fähigkeit seine Artgenossen zu lesen. Da reicht dann später schon ein leichtes Anheben der Lefzen um dem kleinen Wicht zu signalisieren … lass es besser, das nimmt sonst kein gutes Ende. Dazu sollte man im Hinterkopf haben, dass auch bei freilebenden Wölfen 70% aller Interaktionen freundlich sind und die aggressiven Verhaltensweisen meist rudelfremden Artgenossen gegenüber gezeigt werden.

Da könnte man jetzt noch ganz viel dazu sagen, was die Genetik betrifft, was die Rolle des Züchters betrifft, welche Rolle das bei der Auswahl des Welpen spielt usw.

Aber diese kurze Betrachtung birgt eigentlich schon genug Information um unsere Schlüsse daraus zu ziehen und für unser Training zu nutzen.

Schlussfolgerungen:

Das Welpen an allem, auch an uns rumknabbern und kauen ist normal, muss aber in für beide Seiten akzeptable Bahnen gelenkt werden.

Unangemessenes Verhalten führt zu Reaktion (Quietschen), Spielabbruch UND Versöhnung, sprich Lob dafür, sobald das richtige Verhalten (in diesem Fall das nicht mehr Beißen) gezeigt wird.

Wichtig ist in diesem Fall, um ein nachhaltiges Lernen sicher zu stellen, ist ein gutes Timing, d.h. im richtigen Moment das richtige tun und das im besten Fall IMMER wenn das unerwünschte Verhalten auftritt.

Wenn das richtige Timing schwierig ist (für uns Menschen), dann braucht es zumindest ein gutes Management, damit das falsche Verhalten nicht gezeigt und ggf. umgelenkt werden kann.

Was ist konkret zu tun

Zieht so ein kleines Welpenkind ein, empfehle ich sehr viel ruhigen Körperkontakt in Form von streicheln, schmusen, auf den Arm nehmen, auf den Schoß nehmen, zusammen ruhen. Bei all diesen Interaktionen wird sowohl beim Menschen als auch beim Welpen das Hormon Oxytocin ausgeschüttet. Dabei handelt es sich um das sogenannte „Bindungshormon“, das u.a. zu Ruhe, Entspannung und Vertrauen führt.

Ist eurem Welpen das noch nicht vertraut, dann kann man anfangs die Sequenzen kurz halten und den Welpen z.B. mit kleinen Leckerchen füttern während man ihn streichelt. Dazu kann man dann ein Signal geben, was die Schmusephase einleitet z.B. „relax“.

Konkret setze ich mich auf den Boden, am besten schon neben seine Decke und locke den Welpen zu mir, ggf. mit dem Futter und sage „Komm wir machen PAUSE“, dann lasse ich ihn das Futter Stückchen für Stückchen aus meiner geschlossenen Hand „pulen“ und streichle ihn dabei und spreche in ruhiger, freundlicher Tonlage mit ihm…

Bei dieser Gelegenheit kann es dazu kommen, dass der Welpe versucht heftiger mit seinen Zähnchen an das Leckerchen zu kommen. Dann gebe ich laut (!) einen sehr hohen quietschenden Laut von mir, schließe die Faust mit dem Futter so, dass er nicht mehr ran kommt und werde kurz steif. Hält der Welpe jetzt inne, schaut kurz verdutzt oder weicht sogar einen Schritt zurück, dann lobt ihr ihn „gut so“ mit ganz freundlicher Stimme und lasst ihn sofort weiter an der Faust knibbeln und das Futter aus der Faust pulen und streichelt ihn dabei weiter.

Gehört der Welpe zu der rabiateren Fraktion, kann man auch ein größeres Stück Dörrfleisch nehmen und ihn daran kauen lassen und ihn dabei streicheln.

Wichtig ist, dass ihr immer wieder, während ihr streichelt, der Hund kaut und entspannt ist, euer Signal „relax“ für diese Ruhepause gebt.

Diese Maßnahmen sind sowohl eine Präventionsmaßnahme als auch die ersten Schritte auf dem Weg hin zu einem konditionierten Ruhesignal, das ihr immer dann geben könnt, wenn der Welpe überdreht.

Wenn ihr Kinder habt, dann solltet ihr sie, je nach Alter, diese Übung auch mit dem Welpen machen lassen. Bitte nicht alleine, ihr müsst da unterstützen.

Wenn der Welpe dazu neigt, die Kinder zu verfolgen und ggf. in Kleidung, Füße oder Hände zwickt, dann müsst ihr das managen.
Das kann so aussehen, dass der Hund im Garten angeleint neben euch auf der Decke sitzt während die Kinder spielen. Die Situation sollte gemeinsam mit den Kindern „gesteuert“ sein. Bittet die Kinder erst einmal ganz ruhig in einigen Metern Abstand vom Hund auf und ab zu gehen. Ist der Welpe ruhig und beobachtet, lobt ihr ihn „gut so, fein machst du das“ und er bekommt ein Leckerchen. Wenn der Welpe sich so entspannen kann, dass er sich sogar hinlegt um den Kindern zuzuschauen, gibt es etwas ganz besonderes zum Kauen (z.B. getrockneten Hähnchenhals oder getrockneten Pansen) und dazu wieder das Signal „relax“.
Bitte achtet darauf, dass ihr das Training beendet, z.B. mit dem Hund zusammen nach drinnen geht, bevor er evtl. doch ungeduldig wird und  beginnt an der Leine zu zerren oder zu kläffen oder sonst ein unerwünschtes Verhalten zu zeigen.

Im besten Fall macht ihr diese Übung schon bevor der Welpe überhaupt auf die Idee kommt den Kindern nachzulaufen. Das heißt natürlich im Umkehrschluss auch, dass es für die Kinder Tabu ist mit dem Welpen Nachlaufen zu spielen.

Wenn der erste Schritt gut funktioniert, dann könnt ihr Dauer der Übung und Bewegungsintensität der Kinder Schritt für Schritt steigern. Aber nur eins nach dem anderen. Ist die Bewegungsintensität höher, dann ist die Dauer kürzer und andersrum, wenn die Kinder langsam gehen, dann kann Stück für Stück die Dauer gesteigert werden.

Ich empfehle einen Welpen, der schnell auf Bewegungsreize reagiert auch im Haus erst einmal an die Leine zu nehmen wenn durch die Kinder grade Gewusel ist.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass es wahnsinnig wichtig ist, dass ein junger Hund genügend Gelegenheit bekommt ungestört zu schlafen und zur Ruhe zu kommen. In einem Haushalt mit Kindern empfehle ich absolut eine Box für den Hund zu etablieren in der er ungestört ist. Für Kinder, wie für einen Welpen gilt „Nach müde kommt blöd“ und ganz häufig ist es so, dass Welpen ein über die Maßen überdrehtes und vermeintlich aggressives Verhalten dann zeigen, wenn sie völlig drüber sind und eigentlich schlafen müssten (auch da gibt es Parallelen zu kleinen Kindern). 

Ist der Welpe schon länger in der Familie und hat sich schon blöde Verhaltensweisen angewöhnt kann es auch nützlich sein, ihn tagsüber eine Hausleine tragen zu lassen, so dass man ihn, wenn er z.B. die Kinder oder Erwachsenen zwickt oder beißt, an der Hausleine, zur Not auch mit einem Leckerchen, aus der Situation raus und zu seinem Platz führen kann um dort dann eine „relax“ Übung zu machen.

Für einen Welpen ist ein strukturierter Tagesablauf mit wechselnden Aktivitäts- und Ruhezeiten wichtig. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Aktivitätszeiten sinnvoll genutzt werden. Dabei sind Denk- und Impulskontrollspiele oder Nasenspiele ganz klar allen hochpuschenden Spielen wie Zergeln oder Bällchen werfen vorzuziehen. Ein Welpe muss kein „sitz“ und „platz“ können, es gibt in den ersten Wochen viel wichtigere Dinge zu lernen. Die anschließende Ruhephase kann man dann mit dem „relax“ Signal einleiten um dem Welpen den Übergang in die Ruhe zu erleichtern. Ein Kauholz leistet zusätzlich gute Dienste um das Kaubedürfnis des Welpen zu befriedigen.

Wie lange das dauert und wie schnell sie Erfolge sehen, hängt ganz davon ab wie konsequent und freundlich sie, am besten in jeder Situation reagieren.

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